Energie aus künstlichen Sternen – noch ist Kernfusion als anwendbare Energiequelle Science-Fiction. Doch Forscher aus Amerika sind dieser Vision einen bedeutenden Schritt nähergekommen: In einem Laborversuch zündeten sie mithilfe eines Lasers eine Mini-Kernfusion.
Energie durch Kernspaltung können wir bereits in Atomkraftwerken produzieren. Was uns noch nicht gelungen ist, ist die Kernfusion zur Energiegewinnung einzusetzen. Jener Prozess, der für das Strahlen der Sterne sorgt, indem Wasserstoffkerne zu schwereren Heliumkernen vereint werden.
Nun haben Forscher im amerikanischen Lawrence Livermore National Lab (LLNL) einen großen Fortschritt erzielt – in einer Pressemeldung des kooperierenden Fraunhofer Instituts für Lasertechnik (ILT) ist sogar von einem historischen Durchbruch in der Trägheitseinschluss-Fusionsforschung die Rede: Laser haben einen Mini-Stern auf der Erde gezündet und damit den Grundstein für eine saubere Energiequelle der Zukunft gelegt
Wie das LLNL am 13. Dezember 2022 bekannt gab, setzten amerikanische Wissenschaftler an der National Ignition Facility (NIF) eine Fusionsenergie von 3,15 Megajoule (MJ) aus einem mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllten Pellet freigesetzt. Dies entspricht 154 Prozent der verbrauchten Energie von 2,05 MJ des Laserpulses, der die Explosion ausgelöst hat. Dieser Netto-Energiegewinn stellt den ersten international lang erwarteten Durchbruch in der Fusionsforschung dar. Für die High Energy Density Physics Mission des US-Energieministeriums bedeuten diese jüngsten Ergebnisse einen beispiellosen Aufwind. Sie schaffen die physikalische Grundlage für die Erzeugung einer effizienten, mit der Sonne vergleichbaren Energiequelle, die langfristig eine sinnvolle Ergänzung zu erneuerbaren Energien darstellt.
„Die Kraft der Sterne auf die Erde zu bringen, markiert einen Wendepunkt für die Menschheit, der die Aussicht auf eine saubere, reichhaltige, sichere und zuverlässige Energiequelle greifbar macht“, sagt Prof. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer ILT. „Dieser Durchbruch ist der Höhepunkt einer 60-jährigen wissenschaftlichen Reise, die darauf abzielt, eine der schwierigsten technischen Herausforderungen für die Menschheit zu lösen.“
Bei dem erfolgreichen Testlauf am NIF leiten riesige gepulste Laser eine Energie von über zwei Millionen Joule in Form von UV-Licht präzise in einen etwa einen Zentimeter langen, goldbeschichteten Zylinder, den so genannten „Hohlraum“. Dort werden durch die Wechselwirkung der Laserstrahlen mit den Innenwänden Röntgenstrahlen erzeugt. Diese verteilen sich im Hohlraum gleichmäßig wie in einem heißen Ofen.
Ein etwa zwei Millimeter großes Kügelchen, das ein Gemisch aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium enthält und in der Mitte des Hohlraums schwebt, absorbiert die sich ausbreitenden Röntgenstrahlen und heizt sich schnell auf. Die äußere Hülle dieses in der Schwebe gehaltenen Pellets wird abgesprengt, und der daraus resultierende Implosionsdruck komprimiert den Wasserstoffbrennstoff auf das Hundertfache der Dichte von fester Materie und bildet in seinem Zentrum einen heißen Punkt mit einer Temperatur von mehr als 120 Millionen Grad Celsius. Dies wiederum löst die Fusion von Wasserstoff zu Helium aus.
Versuche zur Kernfusion in Greifswald
Bei jeder Fusionsreaktion von zwei leichten Kernen werden pro Reaktion 17,6 MeV in Form von Neutronen und Alphateilchen freigesetzt. Die Alphateilchen werden sofort wieder vom Plasma absorbiert, wodurch es sich weiter aufheizt und eine sich selbst erhaltende Verbrennungswelle ausgelöst wird. Nach weniger als 100 Pikosekunden führen die hohe Temperatur und der enorme Druck dazu, dass sich der verbleibende Brennstoff ausdehnt und die Parameter unter den Schwellenwert für die Fusion, das so genannte Lawson-Kriterium, fallen. Dieser Effekt macht die Fusionsreaktion auch sicher, da keine kritische Kettenreaktion auftreten kann.
Im aktuellen Experiment wurden 2,05 MJ Laserenergie verwendet, um das Target zu komprimieren und zu erhitzen. Aufgrund von Ineffizienzen im Implosionsprozess wird nur rund ein Prozent der Energie an den heißen Punkt geliefert. Der durch die Fusionsreaktion ausgelöste thermische Durchbruch zündete das Plasma und erzeugte ca. 3,15 MJ Energie mit einer momentanen Leistung von etwa 52.500.000.000.000.000 Watt (52,5 Petawatt). Der entscheidende Fortschritt gegenüber früheren Ergebnissen wurde durch Daten aus früheren Experimenten und ein besseres Verständnis der Fusionsphysik ermöglicht, was zu Verbesserungen des Hohlraumdesigns, der Struktur des Brennstoffpellets und Modifikationen des Lasers und des Laserpulses führte.
Das jüngste Fusionsexperiment stellt einen großen Erfolg für die Wissenschaft dar und ist ein Beweis für die Vielseitigkeit und Präzision von Lasern. Die 3,5 Milliarden Dollar teure NIF-Anlage beherbergt das weltweit energiereichste Lasersystem und das größte optische System der Welt, das mehr als 7.500 meterlange Spezialoptiken umfasst, die Laserenergie erzeugen und auf das Ziel lenken. Die NIF-Anlage wird in der Regel einmal pro Tag gezündet; ein Demonstrator oder Kraftwerk mit Trägheitsfusion, englisch „Inertial Fusion Energy“ (IFE), müsste 10- bis 20-mal pro Sekunde mit hohem Wirkungsgrad zünden. Alle Brennstoff-Target-Injektionssysteme, Abfallentsorgungssysteme und Laserkonzepte müssen Effizienz, Zuverlässigkeit, Wartungsfreundlichkeit und Betriebsfähigkeit demonstrieren; Architekturen und Technologien müssen zu fusionskraftwerkstauglichen Geräten ausgereift werden, während gleichzeitig die Produktions- und Betriebskosten gesenkt und die Lieferketten gesichert und aufgebaut werden. Die notwendigen Kostensenkungen, die oft mehrere Größenordnungen ausmachen, erfordern neue Lösungen der Laser- und Optikindustrie.
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„Nehmen wir an, dass wir im Jahr 2050 mehrere Fusionskraftwerke pro Jahr in Betrieb nehmen müssen, damit IFE zu unserer Stromversorgung beitragen kann. Das erfordert die Produktion von vielen hundert leistungsstarken Lasern in der Größe von Überseecontainern“, sagt ILT-Leiter Häfner. „Wir müssen die Laser- und Optikproduktion völlig neu denken und automatisierte Produktionslinien wie in der Automobilindustrie aufbauen, nur mit der Genauigkeit von wenigen optischen Wellenlängen.“
Verstärkermedien, Optiken, Beschichtungen, Kristalle – all dies erfordert eine Massenproduktion zu niedrigen Kosten. Und es gibt noch viele weitere komplexe Probleme auf dem Weg zur Fusionsenergie zu lösen. Die Herausforderungen spornen jedoch zur Innovation an, und die Innovation zieht neue Lösungen auf anderen Märkten nach sich, so dass sich die Investitionen schnell amortisieren könnten. Häfner fasst zusammen: „Die Fusionsenergie ist ein Unterfangen, bei dem viel auf dem Spiel steht, und als solches ist es eine gute Strategie, anzufangen und die vielversprechendsten Ansätze zu verfolgen. Das Rennen ist eröffnet.“
Um das globale Klimaziel zu erreichen, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, muss Deutschland bis 2045 treibhausneutral werden. Dies soll mithilfe eines massiven und raschen Ausbaus der erneuerbaren Energien von derzeit knapp 50 Prozent auf 100 Prozent bei der Stromerzeugung und dem vollständigen Verzicht auf fossile Energieträger in allen Endverbrauchssektoren durch Steigerung der Energieeffizienz und Nutzung aller Arten von erneuerbaren Energieträgern erreicht werden. Dadurch verringert sich die Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe kontinuierlich. Gleichzeitig wird aus erneuerbaren Ressourcen hergestellter Wasserstoff benötigt, um Energie aus Standorten mit hocheffizienter Sonnen- und Windenergienutzung zu speichern und zu transportieren.
„Es wird erwartet, dass die weltweite Stromnachfrage in den kommenden Jahrzehnten stark ansteigen wird. Einerseits wird Strom zur wichtigsten Primärenergie, da er zunehmend auch für die Wärmeerzeugung in Gebäuden und Industrie sowie im Mobilitätssektor genutzt und in Wasserstoff und Wasserstoffderivate umgewandelt wird“, sagt Prof. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und Vorsitzender des Sachverständigenrats für Klimafragen der Bundesregierung. „Andererseits wird Strom in noch deutlich größeren Mengen als heute für die Wasserentsalzung und langfristig wohl auch für die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre benötigt.“
Die Energiegewinnung durch Fusion könnte eine zusätzliche, nahezu unerschöpfliche, wetterunabhängige und vor allem ebenso emissionsfreie Energiequelle eröffnen. Allerdings ist die kontrollierte Fusion zur Energieerzeugung technisch äußerst anspruchsvoll; die Lösung der verbleibenden Herausforderungen und der Bau des ersten Fusionsdemonstrators werden eindeutig mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Daher wird sie kurz- und mittelfristig nicht zu einer beschleunigten Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen. Häfner, Beauftragter für Fusionsforschung der Fraunhofer-Gesellschaft, fügt hinzu: „Die Kernfusion ist eine Investition mit hohem Risiko und hoher Rendite und – wenn sie erfolgreich ist – der Heilige Gral für die Erlangung von Energiesouveränität und die langfristige Deckung des weltweiten Energiebedarfs. Jetzt ist es an der Zeit, die Segel zu setzen, um die Fusionsenergie ans Netz zu bringen, eine Reise, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird. Vorausgesetzt, die Welt ist bereit, Investitionen zu tätigen und aufrechtzuerhalten.“
Die Dringlichkeit, Trägheitsfusion, englisch „Inertial Fusion Energy“ (IFE), zu demonstrieren und auf den Markt zu bringen, wird durch das rasch wachsende Interesse des Privatsektors an der Entwicklung der Fusionsenergie untermauert. Im März 2022 versammelte das Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses der Vereinigten Staaten Industrie und Wissenschaft zu einem Gipfel, um eine kühne Dekadenvision für die kommerzielle Entwicklung der Fusionsenergie zu verkünden.
Eine wachsende Zahl von Start-ups auf der ganzen Welt befasst sich mit Aspekten der Technologieentwicklung, die noch benötigt werden. Derzeit sind über 30 Unternehmen in den Bereichen Magnetfusion, englisch „Magnetic Confinement Fusion Energy“ (MCF) und Magneto-Inertial-Technologien und sechs Unternehmen im Bereich IFE tätig. Die Gesamtinvestitionen sind nach Angaben der Fusion Industry Association von 1,8 Milliarden Dollar in den vergangenen zwei Jahren auf heute über 4,7 Milliarden Dollar gestiegen. Vier der Start-ups sind in Deutschland ansässig.
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